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Reinheitsgebot – Verbraucherschutz bei DrogenkonsumAnders als auf legalen Märkten für andere Konsumgüter gibt es auf dem derzeitigen Drogenschwarzmarkt, wo Millionen von Verbrauchern einkaufen (siehe Zahlen), keinen Verbraucherschutz.
Im August 2002 tauchte in Österreich mit Strychnin versetztes Heroin auf dem Markt auf. Dass dieses auch als Rattengift verwendete Alkaloid jener Schwarzmarktdroge beigemischt wird, kursiert seit langem als Gerücht, aber erstmals wurde das Gift nun bei einer Laboranalyse nachgewiesen. Zum Glück waren die festgestellten Konzentrationen jedoch nicht lebensgefährlich. Bis Heroin beim Endkunden ankommt, wird es mehrfach gestreckt und enthält meist nur noch wenige Prozent des aktiven Wirkstoffs, der Rest besteht aus Milchzucker, zermahlenen Kopfschmerztabletten und anderen Streckmitteln. Warum aber Strychnin? Diese Substaz ist extrem bitter und erschwert es daher den Heroinkäufern, einen niedrigen Wirkstoffgehalt von Strassenheroin anhand einer Geschmacksprobe zu erkennen (Heroin schmeckt ebenfalls bitter). Durch das gesetzliche Verbot von bestimmten Drogen übergibt der Gesetzgeber den Handel mit diesem Drogen Schwarzhändlern. Auf dem Schwarzmarkt gibt es, anders als etwa bei dem in der derzeit laufenden Arzneimittelstudie verwendeten Heroin, keine Qualitätskontrolle. Geschädigte Verbraucher, denen durch die Gesetzeslage selbst Strafen drohen, wenn ihr Konsum bekannt wird, haben einen starken Anreiz, sich nicht über schlechte Qualität zu beschweren. So war es auch während der amerikanischen Alkoholprohibition, als manchmal sogar mit Holzgeist (Methanol) versetzter Industriealkohol aus dem Schwarzmarkt zahlreiche Menschen das Augenlicht oder gar das Leben kostete.
Die Notwendigkeit des Verbraucherschutzes wurde bei der Droge Alkohol schon sehr früh erkannt: Am 30. November 1487 erliess Herzog Albrecht IV das Bayerische Reinheitsgebot, nach dem zur Bierherstellung nur Hopfen, Malz und Wasser verwendet werden durften. Es war eines der ältesten Drogengesetze Deutschlands. Vorher war Bier manchmal mit Bilsenkraut versetzt worden (dem die Bierstadt Pilsen ihren Namen verdankt), einer Pflanze, die bizarre Halluzinationen auslösen kann. Für Konsumenten anderer Drogen als Alkohol gibt es auch ein halbes Jahrtausend später noch keinen Verbraucherschutz.
Bei Cannabis sind Streckmittel zwar im allgemeinen ein weit geringeres Problem als bei halb- oder vollsynthetischen Drogen wie Heroin, Kokain und Amphetamin. Dennoch gibt es auch hier Gerüchte über mit Opium oder Heroin versetztes Haschisch oder mit Crack oder LSD behandeltes Marihuana. Angeblich wollen Dealer so Cannabiskonsumenten von harten Drogen abhängig machen, um mehr zu verkaufen. Allerdings ist aus Europa kein einziger Fall gerichtsmedizinisch dokumentiert, wo tatsächlich ein Opiat in wirksamen Dosierungen in Haschisch nachgewiesen worden wäre. Opiate und Kokain sind viel zu teuer, als dass sich ein solcher Versuch rentieren würde. LSD und Meskalin sind als Streckmittel ungeeignet, weil sie beim Rauchen in der Gluthitze zerfallen. Ungewöhnliche Reaktionen nach Cannabiskonsum sind in aller Regel die Folge von zu hohen Dosierungen des Cannabiswirkstoffs THC.
Cannabiskraut (Marihuana), das aus Blüten und manchmal auch Blättern von Hanf besteht, ist seltener gestreckt als Cannabisharz (Haschisch), doch sind Rückstände von Pflanzenschutzmitteln oder Dünger bei beiden ein Problem. Es soll auch Fälle geben, wo Händler die Blüten mit Zuckerwasser besprühen um Harzreichtum vorzutäuschen. Die einzige psychoaktive Droge, mit der Cannabiskraut (vor allem in den USA) kontaminiert wird, ist Phencyclidin (PCP, "Angel Dust"). Es ist sowohl billig in der Herstellung als auch hitzebeständig. PCP führt oft zu extremen Halluzinationen und psychotischen Reaktionen. Mit PCP behandeltes Cannabis ist jedoch in den USA kaum verbreitet und in Europa extrem selten. Die häufigsten Streckmittel bei der Verarbeitung von Cannabisharz sind Henna, kleingemahlene unwirksame Hanfpflanzenteile und Sand. Auch viel gesundheitsschädlichere Stoffe kommen jedoch vor, z.B. Altöl oder Schuhcreme, die krebserregendes Benzol enthält. Das verbreitetste und wohl am meisten Schäden anrichtende Streckmittel wird jedoch von den Konsumenten selbst hinzugefügt: Der Tabak, mit dem oft ein Einstieg in eine langjährige Nikotinabhängigkeit beginnt. Er wäre beim Rauchen von Cannabiskraut völlig unnötig, hat sich jedoch eingebürgert, weil sich das in Deutschland leichter erhältlichere Cannabisharz ohne Zusätze nicht als Joint rauchen lässt. Eine Aufklärungskampagne um Cannabiskonsumenten dazu zu bewegen, auf den Beikonsum von Tabak zu verzichten, wäre wahrscheinlich der wirksamste Weg, gesundheitliche Risiken beim Konsum von Cannabis zu reduzieren. Dazu kommt es jedoch nicht, weil eine solche Kampagne die Widersinnigkeit der derzeitigen Gesetzeslage überdeutlich hervorheben würde: In einem Joint aus Tabak und Cannabisharz ist die gesundheitsschädlichere der beiden Drogen legal und die vergleichsweise harmlosere Droge illegal.
Viele Cannabiskonsumenten, die selbst Cannabispflanzen anbauen, geben die zweifelhafte Qualität der Schwarzmarktware als Grund für den Eigenanbau an. Eine Entkriminalisierung des Eigenanbaus könnte die Konsumenten von Schwarzmarktware mit potenziell gesundheitsschädlichen Beimengungen fernhalten. Langfristig sollte jedoch die Cannabisherstellung genauso staatlichen Qualitätsnormen unterworfen werden, wie andere Genuss-, Lebens- und Arzneimittel auch. Bleivergiftungen durch Cannabisschwarzmarkt Im November 2007 wurden im Raum Leipzig zahlreiche Fälle bekannt, in denen Konsumenten von auf dem Schwarzmarkt erworbenem Cannabis mit Blei vergiftet wurden. Später wurden ähnliche Fälle auch aus Österreich bekannt. "Brix Plus" - mehr Gewinn durch Zucker und Plastik im Cannabis Immer weiter verbreitet sich auf dem Schwarzmarkt Cannabis, das in der letzten Woche vor der Ernte mit einem Mittel namens "Brix Plus" gesprüht wurde. Sein einziger Zweck ist der Betrug am Konsumenten, dem vorgetäuscht wird, er habe es mit Cannabis beserer Qualität zu tun. Es enthät laut einer Analyse im Auftrag des Hanfjournals (Ausgabe 2006/10) Zucker, Hormone und flüssiges Plastik (Acryl). Der Zucker sorgt für mehr Gewicht und macht die Hanfblüten klebriger. Das nach dem Sprühen erhärtende Acryl ist für Konsumenten nur schwer von harzreichen Trichomen zu unterscheiden. Der THC-Anteil ist geringer als bei unbehandelten, natürlichen Blüten. Damit inhalieren die Konsumenten beim Rauchen dieser Schwarzmarktware den Qualm von brennendem Plastik. Artikel
Lead Poisoning Due to Adulterated Marijuana
[NEJM 358:1641-1642, 10.04.2008] |